Networking und eine Guillotine zum Frühstück
Klosterplatz St. Gallen, 07.30 Uhr morgens. Der Himmel ist bedeckt, die Hitze der letzten Tage hat sich eine Auszeit genommen und es regnet leicht. Trotz der frühen Uhrzeit liegt eine gewisse Anspannung in der Luft – heute Abend starten die St. Galler Festspiele, auf genau diesem Platz, wo früher Mönche umherwandelten. Statt braunen Roben tragen die Platznutzer heute blaue T-Shirts und kurze Hosen – und Mönche sind sie auch nicht mehr, sondern Montageprofis und Tontechniker, welche die letzten Vorbereitungen für den Start der zweiwöchigen Veranstaltung in Angriff nehmen. Und auch wenn die rund 13 000 erwarteten Besucherinnen und Besucher im Vergleich zum neuzeitigeren und eine Woche später startenden OpenAir St. Gallen auf den ersten Blick mager wirken, wurde hierfür mitten in der Gallusstadt, mitten im UNESCO-Weltkulturerbe eine Bühne und Tribüne gebaut, welche punkto Ästhetik ihresgleichen sucht. Das liegt aber vielleicht auch daran, dass Fans von Umberto Giordanos Oper «André Chénier» mehr Wert auf Schönheit legen als Macklemore und Kraftklub-Hörende.
Etwas abseits der Bühne steht ein weisses Festzelt, davor ein Roll-up mit dem grossen Signet EXPO EVENT. Der nationale Verband der LiveCom-Branche führt heute seine vierte Ausgabe dieses Jahres des Breakfast Clubs durch. Im Festzelt: Eine bunt durchmischte Menschengruppe, ohne Westen und Helme, dafür mit Hemden, Jeansjacken oder eleganten Mänteln – und um einiges redseliger als die herumwuselnden Montageprofis. Neuankommende stellen sich mit dem Vornamen vor – man ist hier per Du, auch wenn man sich zum ersten Mal sieht. Es sind Sätze zu hören wie «Toll, dass wir jetzt auch mal in der Ostschweiz sind!» «Wir sind ein nationaler Verband und sollten entsprechend auch national präsent sein,» lautet die Antwort.
Der Breakfast Club ist das Networking- und Austauschformat von EXPO EVENT. Danilo Della Ca, Vorstandsmitglied im Verband und Head of Event Structures beim Temporär- und Sonderbauexperten NÜSSLI, zeichnet sich verantwortlich für die Durchführung der monatlich stattfindenden Events. Er landete erst wenige Stunden vor Start des Breakfast Clubs von Las Vegas kommend in Zürich. Flugprobleme. Die Reise hatte mit dem Bau der Tribünen für das Formel-1-Rennen ebenda zu tun. Auf die leicht saloppe Frage, wieso man sich einen solchen Stress antut, hat Della Ca sofort eine Antwort parat: «Ich find’s unglaublich wichtig, dass man sich engagiert. Zum Beispiel war der Verband EXPO EVENT zu einem grossen Teil mitverantwortlich, dass unsere Branche die Pandemie überstanden hat. Mir war immer klar, da braucht es Leute, die sich engagieren. Also mache ich das.»
Della Ca begrüsst die Anwesenden. Dem redegewandten Enddreissiger ist aber auch bewusst, dass an dieser Veranstaltung nicht er selbst im Vordergrund stehen wird. Schliesslich ist man keine 30 Meter von der Bühne der St. Galler Festspiele entfernt und der technische Leiter dieser, Georges Hanimann, ist bereit, den Anwesenden mehr über die Organisation des Kultanlasses zu erzählen. Der sich um ihn formende Halbkreis blickt gebannt auf die vorbeirauschenden Folien der Präsentation und hört zu: Die Organisatorin, die Konzert und Theater St. Gallen AG, hat rund 250 Mitarbeitende, bringt jedes Jahr 150 000 Personen nach St. Gallen und hat ein Budget von etwa 40 Millionen. Die Rede scheint zu gefallen – immer wieder tritt jemand etwas aus der Menge und beginnt zu fotografieren und zu filmen. Ab und zu, wenn Hanimann (für die Anwesenden einfach «Schorsch»), eine Anekdote erzählt, geht ein Schmunzeln durch die Menge. Klar ist: Da das Bühnenbild jedes Jahr ein anderes ist und auch abhängig der jeweiligen Oper, ist der Bau dieses eine Challenge «Da ist NÜSSLI als Bühnenbauer der Festspiele immer ziemlich gefordert». Della Ca führt das später auf dem Weg zu seinem Auto noch etwas aus: «Seit 2006 baut NÜSSLI diese Bühne. Heuer haben wir unter anderem eine schräge, meterhohe und fast 100 kg schwere Guillotine integriert, ohne irgendeinen rechten Winkel – und die soll dann am Schluss auch noch spektakulär herunterfallen. Diese Mechanik ist sehr komplex und hat uns technisch gefordert.»
Hanimann ist mit seinen 22 Jahren Erfahrung ein Mann vom Fach, was die St. Galler Festspiele angeht. Mühelos haut er eine Kennzahl nach der anderen raus, beschreibt die Bühnenbilder von vor 15 Jahren aus dem Effeff – und zieht das Publikum so in seinen Bann. Und obwohl seine Aussagen regelmässig durch das Geläut der Kirchenglocken und dem Geräusch von Lastwagen auf Pflastersteinen unterbrochen werden, hängen die Anwesenden an seinen Lippen und stellen immer wieder Fragen. Es erscheint fast der Eindruck, dass für sie die Organisation des Anlasses interessanter ist als die Oper selbst. Auf die rund dreissigminütige Präsentation folgt ein exklusiver Rundgang über die Bühne. Und gerade dann, wenn die Ankündigung für den Start des gemeinsamen Frühstücks durch die Menge gerufen wird, durchbrechen einige Sonnenstrahlen die bis gerade eben dichte Wolkendecke. Reflektiert von der überdimensionalen goldenen Guillotine tanzen diese fröhlich über den Boden der Bühne, auf welcher heute Abend die Premiere gefeiert wird. Fröhliche Lichtspiele von einer riesigen Guillotine – makaber? Vielleicht eher ein Sinnbild dafür, dass durch die Kombination von unterschiedlichsten Faktoren Überraschendes und Schönes entstehen kann. Wie beim Networking halt auch.
Nächste Termine:
16. August 2023 | Schaan
13. September 2023 | Zürich
18. Oktober 2023 | OLMA St. Gallen