Nicole Pandiscia-Hasler: Brückenbauerin ins Tessin

Nicole Pandiscia-Hasler ist eine kommunikative Person. Das zeigt sich gleich am Anfang des rund einstündigen Gesprächs zur Lage der Tessiner Eventbranche. Keine zehn Sekunden nach Beginn des Telefonats erzählt sie etwa, es sei gerade eine stürmische Zeit. Die neue Website ihrer Agentur EventsDesigner gehe morgen online. Zum Launch versendet sie zig Moleskine-Notizbücher, auf deren Seiten nach dem Beträufeln mit Wasser ein Blumenmuster erscheint. Damit soll der Reiz des Haptischen kommuniziert werden. Vielleicht ist es auch ein subtiler Hinweis auf den Charme von Live-Veranstaltungen im Vergleich zu deren digitalen Pendants. Die Kiste mit den zahlreichen braunen Paketen ist während des gesamten Gesprächs im Hintergrund sichtbar. Und lässt damit auch eine ständige Aufbruchsstimmung mitschwingen.

Vom Rheintal in die Sonnenstube der Schweiz

Pandiscia-Hasler ist eigentlich gebürtige Ostschweizerin aus dem Rheintal. Nach einer Reise in die Vereinigten Staaten landete sie dann mehr oder weniger durch Zufall im Tessin – das ist jetzt bereits so lange her, dass der Ostschweizer Dialekt kaum mehr herauszuhören ist. Ihre beruflichen Anfänge machte sie in der Gastronomie, als Diätköchin und Ernährungsberaterin. Erste Berührungspunkte mit der Eventbranche hatte sie in ihrer Zeit bei Ticino Tourismus – hier konnte Pandiscia-Hasler gleich zwei Herzensangelegenheiten verbinden: das Tessin zu vermarkten und verschiedene Sprachen anzuwenden. 2011 kam für Pandiscia-Hasler der Zeitpunkt, in die Selbstständigkeit zu wechseln. Die Konditionen waren nicht optimal – sie dachte damals aber nur «now or never». Das passt auch zum Zitat von Franz Kafka, das auf der Website von EventsDesigner prominent unter ihrer Personenbeschreibung steht: «Wege entstehen dadurch, dass man sie geht.» Heute, zwölf Jahre später, besteht EventsDesigner noch immer – mittlerweile ein eingespieltes Team aus vier Personen. Das Erfolgsrezept? «Meine berufliche Erfahrung hat mir ein grosses Netzwerk gebracht.» Auf dieses greift sie auch heute noch regelmässig zurück. Personen, mit denen sie in der Vergangenheit zusammengearbeitet hat, sind heute etwa ihre Lieferanten. Die Frage, ob EventsDesigner denn noch grösser werden soll, verneint sie. «Wir wollen eine kleine Agentur bleiben – grosse Projekte können wir trotzdem umsetzen.»

Eine Pionierin aus dem Süden

Vor der Pandemie war Nicole Pandiscia-Hasler das einzige Tessiner Mitglied beim Branchenverband EXPO EVENT. Das hatte zahlreiche lange Fahrten in die Deutschschweiz zur Folge, wollte sie doch trotzdem den Kontakt mit der Sprachregion halten und sich ganz allgemein mit Personen aus der Branche austauschen. Dann kam Covid-19. Und neben all den neuen Herausforderungen hatte das Virus auch einen positiven Effekt – die Branche rückte zusammen. «Wäre der Verband nicht gewesen, wäre vieles schlechter gelaufen», fasst Pandiscia-Hasler das Erlebte zusammen. Gerade durch die Unterstützungsarbeit von EXPO EVENT wurde der Verband auch im Tessin bekannter.

«Wäre der Verband nicht gewesen, wäre vieles schlechter gelaufen.»

Durch ihre Vergangenheit und ihre Sprachkenntnisse bringt Pandiscia-Hasler die perfekten Voraussetzungen mit, das Bindeglied zwischen den unterschiedlichen Realitäten und Kulturen in der Deutschschweiz und im Tessin zu sein. Das, ihre Liebe zum Tessin und das Bedürfnis, der Region auch national eine Stimme zu geben, hat sie schliesslich zu einem Engagement im Vorstand bewogen.

Faszination durch Gegensätze

Mediterrane Strände und alpine Gletscher, keine vierzig Kilometer Luftlinie voneinander entfernt. Das Tessin glänzt durch seine Gegensätze und ist deshalb «die Eventdestination überhaupt», wie Pandiscia-Hasler meint. Entsprechend zieht die Region auch Grossveranstaltungen an, mit einem Publikum aus der ganzen Schweiz und auch über die Landesgrenzen hinaus. Kultstatus haben etwa das Locarno Film Festival oder das Moon & Stars, beide auf der genauso kultigen Piazza Grande stattfindend. Die beiden Veranstaltungen zeigen aber auch die Stärke der Sonnenstube der Schweiz als Location auf: Das Tessin eignet sich perfekt für Outdoor-Events. Schwieriger wird es hingegen, wenn Veranstaltungen indoor stattfinden sollen. Trotz grosser Nachfrage, beispielsweise für Kongresse oder Modeveranstaltungen, sind Lokalitäten für mehr als hundert Personen selten. Doch auch hier ist Pandiscia-Hasler innovativ unterwegs: Mit der Pop-up-Location Crystal Loft baut sie in der im Winter stillgelegten Badeanstalt Lido ein «Greenhouse», das eine einzigartige Location für Corporate-Events im Winter bietet. Dieses Angebot wird besonders von Deutschschweizer Firmen geschätzt, die Events nicht im Ausland durchführen möchten, aber trotzdem das Mediterrane suchen.

Herausforderungen kennen keinen Kantönligeist

«Im Tessin schauen alle vorwärts», antwortet Pandiscia-Hasler auf die Frage nach aktuellen Challenges. Die Branchenvertreter sind ehrgeizig, und es herrscht Aufbruchsstimmung. Dies ist sicherlich auch eine Folge der extremen Zunahme der Anzahl Live-Veranstaltungen. Das Damoklesschwert Fachkräftemangel hängt aber weiterhin über der Branche – eine Herausforderung, die das Tessin genauso betrifft wie den Rest der Schweiz. Vom nationalen Verband EXPO EVENT lancierte Initiativen wie GoBackstage findet Pandiscia-Hasler grossartig: «Mit einer gezielten Nachwuchsförderung betreiben wir nicht nur Symptombekämpfung, sondern packen das Problem an der Wurzel und lösen es langfristig.» Dieses Engagement zahlt sich aus – so steht der Fachbeirat von EXPO EVENT seit Kurzem beispielsweise einer Tessiner Berufsschule mit einem Lehrgang für angehende Eventmanager beratend zur Seite. Auch punkto Nachhaltigkeit leistet der Branchenverband ganze Arbeit: «Die Tools für eine Steigerung der Nachhaltigkeitsleistung sind allesamt auch in Italienisch verfügbar – das zeigt die Wertschätzung gegenüber dem Tessin.» Und diese Wertschätzung lohnt sich: Für die neue Zertifizierung «Sustainability Management Systems» etwa haben sich bereits fünf Unternehmen aus dem Tessin angemeldet, was zehn Prozent der nationalen Zielquote des Verbands entspricht.

Potenzial ist vorhanden

Spezifische Projekte, um das Wachstum im Tessin zu fördern, sind seitens EXPO EVENT nicht geplant. Das sei aber nichts Schlechtes, meint Pandiscia-Hasler: «Wir haben starke Partner im Tessin, die uns bei Projekten gezielter unterstützen können. Das ist effektiver.» Dies, in Kombination mit den nationalen Aktivitäten des Verbands, stärkt die Branche an allen Fronten. Eingangs wurde erwähnt, dass Nicole Pandiscia-Hasler Notizbücher mit verstecktem Blumenmuster versendet. Sie zeigt damit den Reiz des Haptischen und so eventuell auch den Zauber von Live-Veranstaltungen auf. Vielleicht stehen die Blumen aber auch für eine national zu wenig präsente Tessiner Eventbranche, die durch das Wasser namens EXPO EVENT mehr Sichtbarkeit erhält und ihre «True Colors» zeigen kann. Passen würde die Metapher jedenfalls.